Makista ist „Laut für Kinderrechte“

Mit unserer Kreide-Aktion zum heutigen Weltkindertag fordern wir: Die Kinderrechtskonvention muss handlungsleitend für erwachsene Verantwortliche sein.

„Gemeinsam für Kinderrechte“ lautet das bundesweite Motto des diesjährigen Weltkindertages am 20. September – und spricht dabei auch direkt verantwortliche Erwachsene an. Wir finden: Die Zeit drängt, die in der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) seit 1989 formulierten Ansprüche ernst zu nehmen. Bei allen sie betreffenden Angelegenheiten sind die Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen vorrangig zu berücksichtigen, so steht es in Artikel 3. Sich daran zu orientieren macht das (Zusammen-)Leben aller Generationen menschenfreundlicher.

Ermuntert dazu, auf sich und ihre Rechte aufmerksam zu machen, haben sich heute vielerorts Kinder und Jugendliche in Hessen an der Street-Art-Aktion „Laut für Deine Rechte“ beteiligt, initiiert durch die Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte. Mit bunter Kreide nehmen sie sich auf Bürgersteigen, Plätzen und Straßen Raum für kreative und deutliche Statements, Forderungen und Wünsche. Das ist wundervoll! Aber was passiert danach?

Sorgen wir dafür, dass die Hinwendung zum „best interest of the child“ über den Tag, an dem ein Regen die Zeichnungen und Schriftzüge weggewaschen haben wird, hinausweist. Die Kinder diesmal nicht im Regen stehen lassen könnte bedeuten: Nicht nur am 20. September gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen über zentrale Fragen des Zusammenlebens nachzudenken, ihre Expertise ernst zu nehmen und mit ihnen gemeinsam Zukunft zu gestalten.

Wir Bildungsreferent:innen, Vorstandsmitglieder und Geschäftsführung von Makista haben heute selbst zur Kreide gegriffen, um in unserem Umfeld auf die Relevanz der Kinderrechte aufmerksam zu machen. So wie wir es das ganze Jahr über versuchen, indem wir Multiplikator:innen in Bildungseinrichtungen und Kommunen dabei unterstützen, sich in ihrem Tun konsequent an den Kinderrechten zu orientieren.

Makista setzt sich als freier, gemeinnütziger Verein seit über 20 Jahren für die Realisierung der Kinderrechte ein und adressiert dabei vor allem Menschen in Schulen und Kitas sowie in der Bildungspolitik in Hessen – mit dem „Schulnetzwerk für Kinderrechte und Demokratie“, Bildungsmaterialien wie „Jetzt erst recht. Kinderrechte umsetzen in/trotz der Pandemie“ oder im Bündnis „Demokratiebildung nachhaltig gestalten“.

„Gerade im Umgang mit den ineinandergreifenden Krisen dieser Zeiten konnten viele sehr engagierte Lehrkräfte aus unserem Netzwerk schnell und sensibel im Sinne des Kindeswohls reagieren, altersgerecht informieren, Ängste auffangen und die individuellen Erfahrungen der Kinder im Blick behalten“, sagt Christa Kaletsch.

Damit eine Realisierung der Kinderrechte gelingt, müssen diejenigen, die das Zusammenleben gestalten, ihr Tun bewusst mit der Kinderrechtskonvention verbinden, wenn sie z. B. darüber entscheiden, wohin Ressourcen fließen, welche Risiken wir in Kauf nehmen oder in wessen Rechte wir zum Schutze anderer Güter eingreifen. Es muss handlungsleitend für sie werden – und zwar jeden Tag, immer dann, wenn sie eine Entscheidung treffen. Dass dies nicht selbstverständlich geschieht, konnten wir eindrücklich in den vergangenen Jahren erleben. „Die Schulschließungen waren für die meisten Kinder toxisch“ titelte der 126. Deutsche Ärztetag im Mai 2022 und forderte ebenso, bei allen künftigen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung das Wohl von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich zu berücksichtigen.

Was hindert uns daran, am 20. September zu entscheiden, Plätze zu entsiegeln, Freiflächen und natürliche Nischen unbebaut zu belassen, den Planungen von Kindern zu entsprechen und Innenstädte vom Autoverkehr zu befreien? Die Kultusminister:innen-Konferenz könnte zu einer Sondersitzung zusammenkommen und beschließen, auf Notenvergabe in der Grundschule zu verzichten und Pädagog:innen Räume zu eröffnen, dass sie sich der Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich und umfänglich widmen können. Die in der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte könnten handlungsleitend sein – überall, z.B. auch bei Gerichten, in Arztpraxen und Krankenhäusern, der Gestaltung von Freizeit- und Bildungseinrichtungen.

Nötig ist ein grundlegender Paradigmenwechsel, der über die vielfältigen Aktionen, die auch den diesjährigen Weltkindertag begleiten werden, hinaus gehen. Es ist Zeit, dass kommunalpolitisch Verantwortliche die Initiative ergreifen, Erzieher:innen und Lehrer:innen nachhaltig dazu ermuntert werden und die die verschiedenen Krisen begleitenden Entscheidungsgremien verstehen, dass die Kinderrechte jeden Tag die größte Priorität genießen. Nicht aus „good will“, sondern weil Kinder und Jugendliche unveräußerliche Rechte auf Schutz, Beteiligung, Förderung und Entwicklung haben.

Weitere Hintergründe

Kinderrechte sind Menschenrechte, die sich den Herausforderungen der besonderen Phase des Lebens der Kindheit und Jugend widmen. Sie nehmen bewusst in den Blick, dass Kinder und Jugendliche Menschen in einer zentralen Phase des Lebens sind – nämlich der der Entwicklung. Diese wertschätzend und stärkend zu begleiten, Eigeninitiative zu fördern und Selbstbestimmtheit zu achten sind wesentliche Anliegen der Kinderrechtskonvention, deren Rechtsansprüche jeden in Deutschland lebenden Menschen im Alter von 0-18 Jahren zusteht.

Der unter Artikel 3 der KRK formulierte Kindeswohlvorbehalt kann der Idee Jörg Maywalds, Sprecher der Deutschen Liga für das Kind, folgend als Dach der Kinderrechtskonvention betrachtet werden, von dem aus sich alle weiteren Aspekte des bisher umfassendsten Menschenrechtspapier in seinen vier Prinzipien der Gleichheit, der Förderung, des Schutzes und der Partizipation entfalten. Vorbehalt meint: es dürfen keine Entscheidungen getroffen werden, die das Wohl von Kindern und Jugendlichen nicht berücksichtigen oder gar es verletzen. Bei der Ermittlung dessen, was das Beste (zum Wohle) der Kinder und Jugendliche sei, sind sie auf jeden Fall zu beteiligen. So verlangt es die 1989 in den UN beschlossene Konvention, in deren englischen Originalfassung präziser dazu aufgefordert wird, im Sinne „the best interest oft the child“ zu handeln. 1992 (wenn auch unter Vorbehalt) im Bundestag ratifiziert feiern die Kinderrechte in diesem Jahr in Deutschland einen besonderen Geburtstag.

„Die Schulschließungen waren für die meisten Kinder toxisch“ titelt der 126. Deutsche Ärztetag im Mai 2022 und forderte, bei allen künftigen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung das Wohl von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich zu berücksichtigen. Dies sei nicht geschehen. Die in unterschiedlichen Bereichen tätigen Mediziner beschreiben die vielfältigen nach wie vor spürbaren Belastungen unter denen Kinder und Jugendliche während der Coronapandemie zu leiden hatten. Ihre Bedürfnisse wurden und werden weiterhin „nicht ausreichend genug beachtet“, stellen die Ärzt:innen fest. Der Ärztetag fordert daher: „Bei allen sie berührenden Maßnahmen und Entscheidungen müsse das Wohl und die Meinung von Kindern und Jugendlichen künftig adäquat berücksichtigt werden“. Nur eine Übernahme der Kinderrechtskonvention in das Grundgesetz könne diesem – die Mediziner alarmierenden – Zustand nachhaltig verändern helfen. „In Bezug auf Kinder und Jugendliche wurden in der Pandemie Riesenfehler gemacht“, sagte Dr.med. Gisbert Voigt, Delegierter der Landesärztekammer Niedersachsen. Damit dies nicht wieder passiere, müssten Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden, forderte der Kinderarzt.“ (zitiert aus Deutsches Ärzteblatt | Jg. 119 | Heft 22–23 | 7. Juni 2022)